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Therapie der myelodysplastischen Syndrome mit hohem Risiko

Autor: Priv.-Doz. Dr. med. Ulrich Germing, Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf
Quellenangabe: Deutsches MDS-Forum - Dresden 2006
Stand: 27.11.2006

Patienten mit MDS, die einer Hochrisikogruppe angehören, haben unbehandelt eine mediane Überlebenswahrscheinlichkeit von etwa 1 Jahr [Greenberg P 1997] [Germing U 2005] [Kündgen A in press] [Malcovati L 2005]. Diese Patienten sind meist durch einen erhöhten Blastenanteil oder eine ungünstige Zytogenetik gekennzeichnet. Auch eine ausgeprägte Zytopenie und erhöhte LDH Werte können zum Hochrisikoprofil dieser Patienten beitragen. Daher sind für solche MDS Patienten möglichst über die rein supportive Therapie hinausgehende Behandlungen anzustreben. Eine rein auf hämatologische Parameter zugeschnittene Therapie ist jedoch in den meisten Fällen nicht möglich, da intensive Therapien aufgrund des hohen Lebensalters bei Erstdiagnose nur einem kleinen Teil der Patienten angeboten werden kann. Auch der Allgemeinzustand der Patienten, Begleiterkrankungen und die persönliche Einstellung der Patienten beeinflussen wesentlich die Wahl der Therapie. Unserer Kenntnisse biologischer Parameter auf die Therapieergebnisse haben in den letzten Jahren zugenommen. Insbesondere die Befunde der Zytogenetik sollten bei der Planung der Therapie Berücksichtigung finden.

In kurativer Intention kann eine allogene Stammzelltransplantation durchgeführt werden [Runde V 1998], mit Hilfe derer bei 30-50 Prozent der Patienten eine Langzeitremission erreicht. Trotz der Einführung der nichtmyeloablativen Stammzelltransplantation ist dieses Verfahren nur für einen kleinen Teil der Patienten geeignet. Unklar ist bislang, ob eine nichtmyeloablative Therapie oder eine ablative Therapie bessere Langzeitresultate erzielen. Die Frage, ob vor der Konditionierung eine Induktionschemotherapie stattfinden sollte, oder ob auch bei erhöhtem medullärem Blastenanteil ohne Induktion transplantiert werden sollte, ist bislang nicht beantwortet. Zwar ist die Rezidivrate nach allogener Stammzelltransplantation bei Patienten, die mit erhöhtem medullärem Blastenanteil transplantiert wurden höher, andererseits erleiden manche Patienten in der Induktionschemotherapie Komplikationen, die die nachfolgende allogene Stammzelltransplantation erschweren oder unmöglich machen. Für Patienten in gutem Allgemeinzustand, die über einen HLA identischen Spender verfügen stellt die allogene Stammzelltransplantation aber unbedingt eine Therapieoption dar.

Patienten mit normalen Karyotyp können von einer Induktionstherapie, gefolgt von Konsolidierungschemotherapie profitieren und erreichen Langzeitremissionen von ca. 20 Prozent [Aul C 1997] [Ganser A 1997] [Aivado M 2000] [Knipp S 2004]. Therapiestandard sind Induktions- und Konsoliderungstherapien, die bei der Akuten myeloischen Leukämie verwendet werden, also Cytosinarabinosid in Kombination mit eine, Anthracyclin oder Topotecan. Ältere Patienten mit ungünstigem Karyotyp profitieren wegen niedriger Remissionsraten und raschen Rezidiven nicht von einer Induktionschemotherapie und sollten deshalb anderen Therapien zugeführt werden. Zudem ist die therapieassoziierte Morbidität bei Patienten über 65 Jahren nicht zu unterschätzen.

Für diese Patienten kommen demethylierende Substanzen wie 5-Azacytidine und Decitabine in Frage, die zu einer Verlängerung der medianen Überlebenswahrscheinlichkeit und zu einer Verzögerung von AML-Übergängen führen können [Silvermann LR 2002] [Kantarjian H 2006] Eine Kombination dieser Substanzen mit HDAC-Inhibitoren, beispielsweise Valproinsäure oder anderen führt möglicherweise zu einer weiteren Verbesserung der Resultate [Garcia-Manero G 106]. Patienten mit chromosomalen Aberrationen aller Art unter Beteiligung von del(5q) erreichen zum Teil ein zytogenetisches und damit auch ein hämatologisches Ansprechen durch Lenalidomid [List A 2005] [Giagounidis AA 2005]. Wenngleich es noch keine Studien zu dieser Patientengruppe gibt, sollte ein Therapieverscuh mit Lenalidomid angestrebt werden. Auch Thalidomid führt bei einigen Patienten zur Verbesserung der Zellwerte [Strupp C 2002]. Farnesyltransferaseinhibitoren befinden sich in Phase-III Studien [Kurzrock R 2004] mit vielverspechenden Resultaten.

Bis zur Zulassung von Lenalidomid, 5-Azacytidine und Decitabine in Deutschland besteht für die Patienten die Möglichkeit, im Rahmen von klinischen Studien von diesen Substanzen zu profitieren.



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