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Klinik und Prognose der myelodysplastischen Syndrome

Autor: Priv.-Doz. Dr. med. Ulrich Germing, Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf
Quellenangabe: Deutsches MDS-Forum - Dresden 2006
Stand: 27.11.2006

Die myelodysplastischen Syndrome (MDS) gehören zu den häufigsten Knochenmarkerkrankungen und sind im Alter >70 Jahren häufiger als akute Leukämien und alle Lymphome [Germing U 2004]. Die Diagnose myelodysplastischer Syndrome (MDS) wird in der überwiegenden Mehrheit der Patienten anlässlich der Abklärung einer Anämie oder einer Bi-oder Panzytopenie gestellt. Zum Diagnosezeitpunkt findet sich in der Regel eine Anämiesymptomatik, gelegentlich begleitet von Blutungen und Infektionen. Seltener sind Hepatosplenomegalie und Lymphknotenschwellung. Das mediane Erkrankungsalter liegt bei etwa 70 Jahren [Germing U 2004], nur 5-10 Prozent der Patienten sind unter 50 Jahre alt. Es gibt keine pathognomonischen Befunde bei den MDS, daher sind es immer Ausschlussdiagnosen. Nach Ausschluss von Erkrankungen oder Mangelzuständen, die eine Zytopenie erklären können, erfolgt die Diagnosestellung anhand von typischen dysplastischen Veränderungen, die in der Blut- und Knochenmarkzytologie am besten erkannt werden. Ergänzt wird die Diagnostik durch Histologie und Zytogenetik nach den Kriterien der WHO Klassifikation [Harris NK 1997]. Eine genaue Definition der MDS Typen findet zunehmend Verwendung [Bennett JM 2000]. Unter diagnostischen, aber auch prognostischen Erwägungen ist es unbedingt erforderlich, den peripheren und medullären Blastenanteil möglichst exakt zu ermitteln und das Ausmaß der Beteiligung der verschiedenen Zellreihen am dysplastischen Geschehen festzustellen [Malcovati L 2005]. Nur so und mit Berücksichtigung der Zytogenetik ist eine Anwendung der WHO Klassifikation und die Nutzbarmachung ihrer bedeutsamen prognostischen Aussagekraft möglich. Patienten mit Einlinien MDS (RA/RARS) und Patienten mit 5q- Syndrom haben mit einer medianen Überlebenswahrscheinlichkeit von ca. 60 Monaten eine wesentlich bessere Prognose als Patienten mit Mehrlinien MDS (RCMD und RCMDRS), die eine mediane Überlebenswahrscheinlichkeit von ca. 36 Monaten haben. Ein erhöhter Blastenanteil bis 10 Prozent (RAEB I) führt zu einer medianen Überlebenswahrscheinlichkeit von 18 Monaten. Die Prognose von Patienten mit RAEB II (Blastenanteil >10 Prozent) ist mit einer medianen Überlebenswahrscheinlichkeit von unter 1 Jahr sehr schlecht [Germing U 2000]. Über die WHO Kriterien hinaus stehen Prognoseparameter wie Zytogenetik, Zellzahlen und LDH zur Verfügung [Greenberg P 1997] [Germing U 2005] [Haase D 2005]. Wenngleich die prognostische Bedeutung zahlreicher zytogenetischer Befunde noch völlig unklar ist, kann mit Hilfe des IPSS (International Prognostic Scoring System), der neben medullärem Blastenanteil, Zytogenetik und Zellzahlen heranzieht, eine ziemlich gute Einschätzung der Prognose erfolgen. Die Überlebenswahrscheinlichkeit sinkt mit steigender IPSS Kategorie, das kumulative Risiko eines AML Übergangs steigt mit der IPSS Kategorie. Ein neues Instrument der Prognoseabschätzung stellt der WPSS (WHO adapted Scoring System) dar, der neben WHO Kategorie und Zytogenetik die Transfusionbedürftigkeit als Prognoseparameter berücksichtigt und 5 Risikogruppen für AML und Überleben unterscheidet [Malcovati L 2005]. Hier wird vor allen Dingen der prognostischen Bedeutung der WHO Subtypen und somit der Dysplasiezeichen Rechnung getragen und die Transfusionsbedürftigkeit als Spiegel des klinischen Ausmaß der Anämie verwendet. Für Patienten, bei denen kein zytogenetischer Befund vorliegt, kann der Düsseldorf Score, der die LDH berücksichtigt, zur Prognoseabschätzung herangezogen werden [Aul C 1992]. Mittels multivariater Analysen konnten der medulläre Blastenanteil, der Karyotyp, Zellzahlen und der Wert der LDH im Serum identifiziert werden [Germing U 2005]. Natürlicherweise ist das Alter bei Diagnosestellung ebenfalls von herausragender Bedeutung, vor allem in den Niedrigrisikogruppen, während junge MDS Patienten in den Hochrisikogruppen keine bessere Prognose haben als alte [Kündgen A in press]. Die Planung der Therapie sollte neben patienteneigenen Kriterien die Risikoabschätzung mittels Prognosescores berücksichtigen.



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