· Dresden 2006 - Vom Nihilismus zum Algorithmus ·
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Immunsuppressive Behandlungsstragien bei myelodysplastischen Syndromen mit niedrigem Risiko

Autor: Prof. Dr. med. Arnold Ganser, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
Quellenangabe: Deutsches MDS-Forum - Dresden 2006
Stand: 27.11.2006

Immunsuppressive Therapiestrategien haben in der Behandlung der MDS einen festen Stellenplatz eingenommen. Nachdem anfänglich lediglich Fallberichte eine therapeutische Wirksamkeit angedeutet hatten, konnte durch die Ergebnisse der präklinischen Forschung die mögliche Wirkungsweise der immunsuppressiven Therapien wenigstens teilweise geklärt werden, so dass sie auf gesicherter Basis steht..

Pathophysiologisch unterscheiden sich die Niedrigrisiko- von den Hochrisiko-MDS-Gruppen durch die deutlich erhöhte Apoptoserate der Knochenmarkzellen, die für das morphologische Paradoxon der peripheren Zytopenie bei hyperzellulärem Mark verantwortlich ist und als ineffektive Hämatopoese bezeichnet wird [Raza A 1995] [Rajapaksa R 1996] [Bouscary D 1997] [Parker KE 2000] [Huh YO 2002). Die Ursache der erhöhten Apoptoserate scheint die erhöhte TNF-alpha-Konzentration im Knochenmark zu sein. Die Expression von Fas auf den CD34+-Vorläuferzellen ist für diese Dysregulation mitverantwortlich [Gersuk GM 1998] [Stifter G 2005]. Es konnte nicht nur im Knochenmark vermehrt TNF-alpha immunhistologisch nachgewiesen werden, sondern das Ausmaß der klinischen Anämie korreliert signifikant mit den Serumkonzentrationen des TNF-alpha [Verhoef GE 1992] [Stifter G 2005]. Verkürzte Telomere könnten ebenfalls für die erhöhte Apoptoserate und vorzeitige Alterung der myeloischen Zellen verantwortlich sein [Sashida G 2003]. Zudem beeinflusst die Expression von bcl-2 die Apoptose beim MDS [Kurotaki H 2000].

Auch das In-vitro-Wachstum der hämatopoetischen Progenitorzellen ist beim MDS pathologisch verändert. Patienten mit einem normalen Wachstumsmuster, das vor allem in Frühstadien gefunden wird, haben eine deutlich bessere Prognose als solche mit einem leukämischen Wachstumsmuster, das als Mikro- bzw. Makroclusterwachstum oder völliges Fehlen normaler Kolonien definiert ist [Francis GE 1983]. Da die Hemmung von TNF-alpha in vitro zu einem besseren Koloniewachstum führt [Gersuk GM 1998], könnten hierauf basierende Therapiestrategien in Zukunft Bedeutung gewinnen. Allerdings zeigte die Behandlung mit TNF-alpha Antikörpern, löslichen Formen des TNF-Rezeptors und chemischen TNF-alpha Inhibitoren keinen Erfolg [Maciejewski JP 2002] [Stasi R 2002].

Basierend auf Studien zur immunsuppressiven Therapie bei aplastischer Anämie und Einzelbeobachtungen wurden in mehreren Studien MDS-Patienten mit Antilymphozytenglobulin [Molldrem JJ 2002] [Killick SB 2003] [Stadler M 2004], Cyclosporin A [Jonasova A 1998] bzw. der Kombination [Yazji S 2003] [Broliden PA 2006] behandelt (~ Tab. 1). Nach ALG-Therapie wurden in einer am NIH durchgeführten Studie innerhalb von 3 Monaten 41 Prozent der Patienten transfusionsunabhängig, wobei niedrigeres Alter, kürzere Krankheitsdauer, der Subtyp RA und Thrombozytenwerte <20.000/µl mit einem Ansprechen korrelierten [Molldrem JJ 1997]. In einer britischen Studie wurden 50 Prozent von MDS Patienten mit niedrigem Risiko transfusionsfrei [Killick SB 2003]. Bei einer am NIH behandelten größeren Kohorte und längeren Verlaufsuntersuchung wurden 21 von 61 Patienten (34 Prozent) transfusionsfrei, insbesondere hatte etwa die Hälfte der thrombozytopenen Patienten eine anhaltende Besserung der Thrombozytenwerte [Molldrem JJ 2002]. Diese Ergebnisse konnten auch von anderen Studiengruppen in Deutschland [Stadler M 2004] und in Skandinavien [Broliden PA 2006] bestätigt werden. Bei den Ansprechraten der verschiedenen Studien müssen aber die unterschiedlichen Definitionen des Ansprechens berücksichtigt werden. Lediglich bei der Studie an der Mayo-Klinik wurde kein Ansprechen gesehen, allerdings wurden in dieser Studie ausschließlich Patienten mit deutlich erhöhtem Blastenanteil therapiert [Steensma DP 2003]. Da in diesem Stadium der Erkrankung praktisch keine erhöhte Apoptoserate mehr gefunden wird, ist auch aus pathophysiologischer Sicht ein Therapieerfolg gar nicht zu erwarten gewesen. Wirkungsmechanismus der ATG-Therapie ist die Elimination klonaler, möglicherweise inhibitorischer T-Zellen [Kochenderfer JN 2002] [Molldrem JJ 1998], wobei sich die Existenz nichtklonaler myeloischer Zellen ebenfalls günstig auswirkt [Aivado M 2002].

Insbesondere in der weltweit größten NIH-Kohorte konnten bisher Prognosefaktoren erhoben werden. Neben niedrigerem Alter, hypoplastischem MDS und erniedrigten Thrombozytenwerten war der HLADR15 Genotyp ein prognostisch günstiger Faktor [Saunthararajah Y 2002]. Alter, Dauer der Erkrankung und HLA-Typ reichen in einem einfachen Scoring-System aus, die Ansprechwahrscheinlichkeit abzuschätzen [Saunthararajah Y 2003]. Wegen der z. T. gravierenden Nebenwirkungen des ATG mit Fieber, Schüttelfrost, Ödemneigung, Serumkrankheit und schweren Infektionen [Steensma DP 2003] und wegen der noch offenen Fragen sollte diese immunsuppressive Therapie derzeit nur in klinischen Studien eingesetzt werden. Nach Abschluss der derzeitigen ATG/CSA_Studie der schweizerischen SAKK mit der Deutschen MDS-Studiengruppe wird eine weitere ATG/CSA-Studie initiiert, in der der Einfluss des HLA-DR15 Genotyps prospektiv bei Niedrigrisiko-M DS-Patienten geprüft wird.

Tabelle 1:
Behandlung mit Antithymozytenglobulin (ATG) +/- Cyclosporin A (CsA) bei Niedrigrisiko-MDS

Autoren

Patienten

Therapie

Ansprechen (%)

Molldrem et al. 1997

MDS: 25

ATGa 40 mg/kg d1-4

44

Molldrem et al. 2002

MDS: 61

ATGa 40 mg/kg d1-4

34

Killick et al. 2003

MDS: 30

ALGb 15 mg/kg d1-5

50

Yazji et al. 2003

MDS: 32

ATGa 40 mg/kg d1-4 + CsA

26

Stadler et al. 2004 ATG

MDS: 35

ALGb 15 mg/kg d1-5 oder ATGa 3,75 mg/kg d1-5

34

Broliden et al. 2006

MDS: 20

20 ATGa 10 mg/kg d1-4

30

ATGa: Kaninchen; ATGb: Pferd



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