Deutsches MDS-Forum 2010

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Perspektiven

Macht Eisen Leukämien?

Abstract | Vortrag
Autor: Prof. Dr. med. Norbert Gattermann, Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf
Quellenangabe: Deutsches MDS-Forum 2010, Göttingen
Stand: 20.09.2010

Retrospektive Studien aus Italien und Spanien zeigen, dass Eisenüberladung bei MDS mit einem erhöhten Risiko leukämischer Transformation einhergeht. Dies könnte einerseits daran liegen, dass die der Eisenüberladung zugrundeliegende Transfusionsbedürfigkeit eine ungünstige Form der Knochenmarkserkrankung widerspiegelt, die ohnehin zum Leukämieübergang neigt.

Anderseits deuten multivariate Analysen darauf hin, dass die Eisenüberladung einen unabhängigen Beitrag zur leukämischen Transformation leistet. Worauf könnte dies beruhen? Die wahrscheinlichste Erklärung ist oxidativer Stress. Die Produktion reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) kann bei myeloischen Neoplasien schon als Folge genetischer Aberrationen erhöht sein und zu genomischer Instabilität führen. Wenn zusätzlich als Folge gestörten zellulären Eisenstoffwechsels und/oder chronischer Transfusionsbehandlung der labile zelluläre Eisenpool (labile cell iron, LCI) erhöht ist, dürften sich oxidativer Stress und genomische Instabilität verstärken und die klonale Evolution beschleunigen. Eisenabhängiger oxidativer Stress, der schon länger als Ursache hepatozellulärer Karzinome bei hereditärer Hämochromatose angesehen wird, läßt sich auch bei MDS dokumentieren.

Die Bedeutung von ROS in hämatopoetischen Vorläuferzellen ist jedoch vielschichtig. Durch ROS können Stammzellen und sogar leukämische Blasten nämlich auch zu myeloischer Differenzierung gebracht werden. Kürzlich wurde darüber berichtet, dass Eisendepletion in vitro die monozytäre Differenzierung leukämischer Blasten induziert [Callens et al. 2010], was gleichzeitig mit einer Stimulation der ROS-Produktion einherging, zumindest in der Anfangsphase der Eisendeprivation. Obwohl noch nicht viel über den Einfluss unterschiedlicher Eisenkonzentrationen auf die Regulation des Zellzyklus bekannt ist, werden Eisenchelatoren als potentielle Krebsmedikamente erforscht.

Die karzinogene Bedeutung von Eisen wird durch eine randomisierte prospektive Studie unterstrichen, die den Einfluss von Aderlässen bei 1277 Patienten mit Arteriosklerose überprüfte [Zacharski et al. JNCI 2008]. Als sekundäres Studienziel wurde auch das Krebsrisiko untersucht, das bei den Aderlass-Patienten um etwa ein Drittel geringer und mit signifikant niedrigeren Ferritinwerten im Serum assoziiert war.

Eine Matched-Pair-Analyse des Düsseldorfer MDS-Registers zeigte allerdings beim Vergleich von MDS-Patienten, die entweder ‘best supportive care’ oder zusätzlich einen Eisenchelator erhielten, keinen Unterschied im Leukämierisiko [Fox et al. 2009]. Möglicherweise ist zur Verminderung des Risikos eine konstante Unterdrückung des labilen Plasmaeisens (LPI) erforderlich, die in dieser retrospektiven Analyse nicht überprüft werden konnte.


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