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Therapie bei Niedrigrisiko-MDS

Lenalidomid - gefährlich oder segensreich?

Abstract | Vortrag
Autor: Priv.-Doz. Dr. med. Aristoteles Giagounidis, St. Johannes-Hospital, Duisburg
Quellenangabe: Deutsches MDS-Forum 2010, Göttingen
Stand: 20.09.2010

Die Diskussion um Lenalidomid erinnert ein wenig an die um die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken. Es gibt glühende Befürworter ebenso wie kategorische Gegner. Die Fakten der Effektivität des Medikamentes werden dabei von beiden Seiten nicht in Frage gestellt: Zwei Drittel der Patienten erreichen eine Transfusionsfreiheit innerhalb von 4 bis 5 Wochen. Dies führt zu deutlicher Besserung der Lebensqualität und Reduktion der Transfusionslast mit Sistieren der transfusionsbedingten Eisenakkumulation. Im Gegenteil, meist ist es sogar möglich, in der transfusionsfreien Zeit Aderlässe durchzuführen, um eine vorliegende sekundäre Hämosiderose zu beheben. Kurzfristige Nebenwirkungen stellen für den erfahrenen Hämatologen kein echtes Problem dar: Die regelhaft auftretende Thrombozytopenie und Neutropenie kann durch rechtzeitiges Unterbrechen der Medikation und durch Hinzugabe von G-CSF regelhaft kupiert werden. Diarrhoen und seltener Obstipation können unangenehm, aber selten schwerwiegend sein. Juckreiz und Hautausschlag sind meist selbstlimitierend. Die Gefahr einer Progression des relativ blanden Krankheitsbildes del(5q) zu einer Leukämie hat viele Kritiker auf den Plan gerufen, die einen Einfluss von Lenalidomid auf diese Progression nicht ausschließen wollen. Objektiv betrachtet handelt es sich bei del(5q) MDS um eine heterogene Krankheitsgruppe mit einer stark unterschiedlichen Progressionswahrscheinlichkeit zu AML. Patienten mit erhöhtem Blastenanteil, solche mit zusätzlichen Chromosomenaberrationen und insbesondere Patienten mit komplex-aberrantem Karyotyp inklusive del(5q) haben eine hohe Transformationswahrscheinlichkeit zu AML und weisen kurze Überlebenszeiten auf. Dies wird durch Lenalidomid, wenn überhaupt, nur in Einzelfällen positiv beeinflusst. Niedrig-Risiko-Patienten mit isolierter del(5q)-Aberration und Blastenanteil unter 5% im Knochenmark dagegen haben eine geringe Progressionswahrscheinlichkeit und weisen eine exzellente Langzeitprognose auf. Diese Patienten profitieren überproportional von Lenalidomid, da sie eine Langzeittransfusionsfreiheit erreichen können. Begünstigt sind insbesondere die Patienten, die eine komplette zytogenetische Remission erlangen. Diese Patienten haben in Einzelfällen auch nach Absetzen von Lenalidomid nach längerfristiger Einnahme jahrelange Transfusionsfreiheiten erreicht. Lenalidomid ist für diese Patienten also meist segensreich. Für die anderen ist es dagegen auch nicht gefährlicher, als keine Therapie zu erhalten, da die Progressionswahrscheinlichkeit hoch ist. Der Ausweg aus dem Dilemma liegt in der Information des Patienten über sein Krankheitsbild und seine Ansprechwahrscheinlichkeit auf Lenalidomid. Dies führt zu einem differenzierten und wissenschaftlich fundierten Umgang mit der Substanz.



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