Deutsches MDS-Forum 2010

Home  Kurzfassungen Sitzung II 1. A. Giagounidis, Klassifikationen - wofür? Abstract

Klinische Implikationen

Klassifikationen - wofür eigentlich?

Abstract | Vortrag
Autor: Priv.-Doz. Dr. med. Aristoteles Giagounidis, St. Johannes-Hospital, Duisburg
Quellenangabe: Deutsches MDS-Forum 2010, Göttingen
Stand: 20.09.2010

Vor über zwei Jahrtausenden bemerkte Homer in der Odyssee: Gut bei allem ist die Ordnung! Seitdem hat uns das Ordnen nicht mehr losgelassen: Aristoteles ordnete in seiner Systematik "Scala Naturae" die ihm bekannten Lebewesen, Mendelejew das Periodensystem der Elemente und Duden die deutsche Sprache. Die Ordnungswut drang bis in die entlegensten Winkel und machte folgerichtig auch vor den myelodysplastischen Syndromen nicht Halt. 1982 erschien die erste sinnvolle Klassifikation der MDS von der French-American-British Cooperative Group, die sich laut den Beteuerungen des Erstautors John Bennett mehr oder minder willkürlich zusammengefunden hatte. Bezeichnenderweise wies diese Klassifikation bereits prognostische Bedeutung auf, denn der Anstieg des medullären Blastenanteils führte zu einer abnehmenden Überlebenszeit der Betroffenen. Die Problematik bestand jetzt darin, den Blastenanteil korrekt einzuschätzen, eine Aufgabe, die auch 30 Jahre später zu reichlich Diskussionsstoff in Fachkreisen führt. Sarkastiker mutmaßen, dass die Büchse der Pandora nicht nur alle Plagen dieser Welt, sondern auch den Blastenbegriff enthielt. Fehleinschätzungen des medullären Blastenanteils führen nicht nur zu morphologischen, sondern auch zu prognostischen und therapeutischen Fehlklassifikationen, so dass eine zentrale Morphologie bei myelodysplastischen Syndromen sinnvoll erscheint.

Auf der Basis vielfältiger Untersuchungen zur prognostischen Wertigkeit der Dysplasien, des Blastenanteils und anderer morphologischer Besonderheiten klassifiziert die WHO seit 2008 die MDS in verfeinerte Subgruppen, die sich im WHO-adaptierten prognostischen Scoringsystem WPSS wiederfinden. Morphologisch dürfte damit vorerst das viel beschworene Ende der Fahnenstange erreicht sein. Weitere Ordnungen werden jetzt den Molekularbiologen mit SNP-Arrays vorbehalten sein. Als Ärzte jedoch erinnern wir uns an die alte deutsche Volksweisheit, dass Ordnung eben nur das halbe Leben ist. Das andere halbe liegt im Krankenbett.


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