Deutsches MDS-Forum 2010

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Grundlagen und Updates

Zytogenetik - brauchen wir die noch?

Abstract | Vortrag
Autor: Prof. Dr. med. Detlef Haase, Georg-August-Universität, Göttingen
Quellenangabe: Deutsches MDS-Forum 2010, Göttingen
Stand: 20.09.2010

Für ein leitliniengerechtes adäquates klinisches Management von Patienten mit MDS sind eine Klassifikation nach WHO und eine Risikoeinschätzung nach IPSS und/oder WPSS zwingend erforderlich, um eine Risiko-adaptierte und in Zukunft auch eine maßgeschneiderte Therapie durchführen zu können. Keine der o.g. Maßnahmen ist ohne eine Zytogenetik möglich. So ist eine Chromosomenanalyse unerlässlich für die Charakterisierung der WHO-Subtypen "MDS mit isolierter 5q-Deletion" und "Unklassifizierbares MDS". Der IPSS ist nachwievor der prognostische Goldstandard beim MDS, wenn auch eine Revision dringend notwendig ist. Die Zytogenetik ist hier neben dem medullären Blastenanteil und dem Ausmaß der peripheren Zytopenien integraler Bestandteil der Risikostratifikation. Es gibt eine günstige (normaler Karyotyp, 5q- isoliert, 20q- isoliert, -Y isoliert), intermediäre (weder günstig noch ungünstig) und ungünstig (jede Chromosom 7 Veränderung, komplexe Anomalien) zytogenetische Prognosegruppe. Im WPSS werden die gleichen zytogenetischen Prognosegruppen wie beim IPSS verwendet, allerdings wird hier der ungünstigen Zytogenetik im Vergleich zum Blastenanteil ein höherer Scoringwert zugesprochen. Besonders die zytogenetische Komponente des IPSS muss dringend überarbeitet werden, da es inzwischen deutliche Hinweise darauf gibt, dass die ungünstige Zytogenetik im Vergleich zum Blastenanteil im IPSS deutlich untergewichtet ist. Seltene Anomalien und Kombinationen von Aberrationen sowie Untergruppen innerhalb komplexer Anomalien wurden bisher nicht adäquat berücksichtigt. Um hier zu einer Verbesserung des zytogenetischen Prognosescorings zu kommen haben wir auf der Basis einer internationalen Kooperation zytogenetische und klinische Daten von fast 3000 Patienten zusammengetragen und ein neues 5-armiges zytogenetisches Prognosesystem entwickelt, mit deren Hilfe 95% aller MDS-Patienten auf der Grundlage eines zytogenetischen Befundes eine eindeutige Prognose zugeordnet werden kann im Vergleich zu nur 81% basierend auf dem IPSS. Neben der prognostischen Bedeutung hat die Zytogenetik auch noch eine hohe Relevanz für den rationalen Einsatz neuer innovativer Therapieverfahren. In den MDS 001- und 003-Studien zeigten 75-83% der Patienten mit 5q- Deletionen ein erythroides Ansprechen auf Revlimid. Ein zytogenetisches Ansprechen war bei 71% mit isolierter 5q-Deletion, 65% mit einer Zusatzanomalie und 75% mit komplexen Anomalien (incl. del(5q)) zu beobachten. In der Aza-001-Studie waren die Patienten mit kompletter oder partieller Monosomie 7 diejenige Patientensubgruppe, die in der Multivarianzanalyse den größten Nutzen durch die demethylierende Behandlung erfuhren. In aktuellen Studien wurde für weitere zytogenetische Subgruppen wie normaler Karyotyp, Trisomie 8, Trisomie 13 und komplexe Anomalien ein präferentielles Ansprechen auf unterschiedliche innovative Therapieverfahren berichtet. Zusammenfassend ist die Zytogenetik beim MDS verlässlich, diagnostisch und prognostisch relevant, präzise, umfassend, prädiktiv und kosteneffizient. Ohne Zytogenetik ist derzeit ein zeitgemäßes klinisches Management von Patienten mit MDS nicht lege artis möglich. Neue genomweite Verfahren sind zwar sehr vielversprechend aber technisch noch nicht ausgereift, häufig Fehler-anfällig, noch lange nicht in der Labor-Routine etabliert und im klinischen Setting und in prospektiven Studien noch nicht evaluiert. Wir werden also auf absehbare Zeit auf die Zytogenetik nicht verzichten können.


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