Deutsches MDS-Forum 2010

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Grundlagen und Updates

MDS - Selten oder häufig?

Abstract | Vortrag
Autor: Prof. Dr. med. Carlo Aul, St. Johannes-Hospital, Duisburg
Quellenangabe: Deutsches MDS-Forum 2010, Göttingen
Stand: 20.09.2010

Myelodysplastische Syndrome (MDS) sind pluripotente Stammzellerkrankungen, die durch normale bis erhöhte Zelldichte des Knochenmarks, unterschiedlich ausgeprägte Reifungsstörungen der Hämatopoese, quantitative Veränderungen peripherer Blutzellen und erhöhtes Risiko zur Entwicklung akuter myeloischer Leukämien (AML) charakterisiert sind. Zur Inzidenz und Prävalenz dieser Erkrankungen sind in den letzten beiden Jahrzehnten eine Reihe epidemiologischer Studien publiziert worden, die mit wenigen Ausnahmen zeigen, dass MDS vergleichsweise häufige maligne Erkrankungen der Hämatopoese sind. Im Detail bestehen jedoch beträchtliche Unterschiede zwischen den Studien. So variiert die Zahl der Neuerkrankungen zwischen 1/100.000/Jahr [Shimuzu 1995] und 13/100.000/Jahr [Williamson 1994]. Die unterschiedlichen Daten scheinen mehr auf methodischen Problemen als tatsächlichen Inzidenzunterschieden zu beruhen. MDS sind vergleichsweise neue Erkrankungen, deren diagnostische Kriterien erst vor 30 Jahren präziser definiert wurden [Bennett 1982] und in den letzten 10 Jahren zweimaliger Revision unterworfen waren [Jaffe 2001] [Vardiman 2009]. Daneben erschweren überlappende und ungenaue Klassifikationen in aktuellen ICD-Codes, differentialdiagnostische Schwierigkeiten und Fehlen verbindlicher Diagnosekriterien insbesondere bei der Diagnosestellung früher MDS-Stadien sowie zahlreiche methodische Einflußgrößen (z.B. quantitativ unzureichende Bezugspopulationen, Unterschiede in der Alters- und Geschlechtsverteilung der Studienpopulation, variable Rekturierungszeiträume) die Gewinnung verlässlicher epidemiologischer Kenndaten. Im Düsseldorfer MDS-Register konnte nachgewiesen werden, dass die von 1975-1990 zunehmende Krankheitshäufigkeit allein mit einer verbesserten hämatologischen Diagnostik geriatrischer Patienten erklärt werden konnte. Obwohl leukämogenen Noxen in Umwelt, Arbeitsleben und medizinischer Diagnostik bzw. Therapie heute eine wesentliche Rolle bei der Entstehung myelodysplastischer Knochenmarkerkrankungen eingeräumt wird, kommen regionale Studien in industrialisierten und ländlichen Regionen zu überraschend ähnlichen Ergebnissen der Krankheitsinzidenz. Die aktuellsten und wahrscheinlich verlässlichsten Daten zur Inzidenz der MDS wurden 2007 mittels des SEER-Programms in den USA ermittelt [Ma 2007]. In einer Bezugsbevölkerung von etwa 76 Millionen Amerikanern in 17 Regionen der USA wurde die jährliche Neuerkrankungsrate in der Gesamtbevölkerung mit 3,56/100.000 berechnet. Männer erkrankten fast doppelt so häufig wie Frauen (4,5 bzw. 2,7/100.000/Jahr). Ähnlich wie in zahlreichen anderen epidemiologischen Studien war in der SEER-Auswertung ein deutlicher Anstieg der altersspezifischen Inzidenzraten nachweisbar. Bei über 80-Jährigen stieg die Inzidenz auf 36/100.000/Jahr an. Auch in dieser Studie konnte die Rolle prädisponierender Faktoren wie ethnischer und rassischer Unterschiede, genetischer Faktoren, Umwelteinflüssen, Lebensstilfaktoren und Umfang gesundheitlicher Versorgung nicht eindeutig geklärt werden. Sicher ist, dass mit Verbreitung zytostatischer und strahlentherapeutischer Interventionen und verbesserter Prognose von Tumorpatienten der Anteil therapieinduzierter sekundärer MDS in den letzten 3 Jahrzehnten zugenommen hat.

Verglichen mit den Volkskrebserkrankungen Darmkrebs, Prostatakarzinom und Mammakarzinom, an denen 2004 allein in Deutschland 189.000 Menschen erkrankten [Robert Koch Institut 2008], sind myelodysplastische Syndrome seltene Erkrankungen.


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