Deutsches MDS-Forum - Duisburg 2008
Druckversion Sitemap Suche öffnen

Myelodysplastische Syndrome: Prognostische Einschätzung und Prognosescores

Autor: Prof. Dr. Ulrich Germing, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf
Quellenangabe: 2. Deutsches MDS-Forum - Duisburg 2008
Stand: 15.11.2008

Myelodysplastische Syndrome (MDS) sind durch eine ineffektive Hämatopoese, dysplastische Merkmale in Blut und Knochenmark und ein erhöhtes AML-Risiko charakterisiert. Der klinische Verlauf ist unterschiedlich und vor allem vom morphologischen Subtyp und bestimmten anderen Prognosefaktoren abhängig. Die WHO-Klassifikation der MDS besitzt zwar prognostische Aussagekraft, idealerweise sollten jedoch noch weitere Parameter zur genauen Prognoseabschätzung herangezogen werden. Das diagnostische Vorgehen sollte nach den überarbeiteten WHO-Vorschlägen von 2008 erfolgen: Auszählung des peripheren und medullären Blastenanteils sowie Festlegung des Ausmaßes der Dysplasien in allen blutbildenden Zellreihen. Patienten mit Einlinien-Dysplasie haben eine mediane Überlebenszeit von ca. 5 Jahren und ein niedriges Risiko eines AML-Übergangs, während bei Multilinien-Dysplasie die Überlebenszeit nur 3 Jahren beträgt und ein erhöhtes Risiko eines AML-Übergangs vorliegt. MDS-Patienten mit del(5q) haben eine mediane Überlebenszeit von ca. 6 Jahren, zeigen aber hinsichtlich AML-Übergang Charakteristika von Patienten mit Multilinien-Dysplasie. Patienten mit einem medullären Blastenanteil von >/= 5% (RAEB I und II) haben eine mediane Überlebenszeit von unter 2 Jahren und ein hohes Risiko eines AML-Übergangs. In Kombination mit den WHO-Typen spielen zytogenetische Befunde eine wesentliche Rolle in der Prognoseabschätzung von MDS-Patienten. Verschiedene Karyotypen wie del(5q), del(20q), -Y, normale Karyotypen und einige seltene andere, sind prognostisch günstig. Komplexaberrante Karyotypen, insbesondere solche mit mehr als drei Chromosomenanomalien, haben eine sehr schlechte Prognose mit Gesamtüberlebenszeiten von unter einem Jahr. Als Goldstandard in der Prognoseabschätzung bei MDS-Patienten gilt immer noch der IPSS (International Prognostic Scoring System). Er berücksichtigt den medullären Blastenanteil, die zytogenetischen Befunde und die Anzahl an Zytopenien, so dass sich vier Risikogruppen ergeben, die sich in der medianen Überlebenszeit und im Risiko des AML-Übergangs signifikant unterscheiden. Kürzlich wurde der WPSS (WHO-adapted Scoring System) an drei unabhängigen Patientenserien validiert. Er umfasst sowohl den WHO-Typ und somit den Grad an Dysplasie als auch den Blastenanteil und die Transfusionspflicht als Prognoseparameter. Der WPSS war hierbei in der Lage, fünf signifikant unterschiedliche Risikogruppen herauszuarbeiten. Das mediane Überleben von Patienten, deren zytogenetische Befunde nicht bekannt sind, können mit Hilfe des Düsseldorf Score berechnet werden. Dieser Score basiert auf LDH, Zellzahl und Blastenanteil. Natürlich ist das Alter bei Diagnosestellung der wichtigste Prognoseparameter. Vor allem Niedrig-Risiko-Patienten, die jünger als 50 Jahre sind, haben eine bessere Prognose im Vergleich zu Älteren. Andererseits spielt das Alter keine Rolle bei Hochrisiko-Patienten. Behandlungsstrategien bei MDS-Patienten sollten zusätzlich weitere Parameter mit einbeziehen, wie beispielsweise Komorbidität und therapeutische Präferenzen des betroffenen Patienten. Um Auskunft über die Entwicklung der Patienten geben zu können, die sich einer spezifischen Therapie, wie hypomethylierenden Agenzien, Zytokinen, Immunsuppression oder immunmodulierenden Medikamenten unterzogen haben, werden aktuell Daten über prognostische Parameter unter Therapie gesammelt und ausgewertet. Ein Ansprechen auf eine neuartige Therapieoption muss nicht zwangsläufig mit einer verlängerten Überlebenszeit einhergehen.



top