Deutsches MDS-Forum - Duisburg 2008
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Wie sicher ist die Morphologie?

Autor: Dr. Aristoteles Giagounidis, St. Johannes-Hospital, Duisburg
Quellenangabe: 2. Deutsches MDS-Forum - Duisburg 2008
Stand: 15.11.2008

Die zytologische Begutachtung des Knochenmarks kennt verschiedene Schwierigkeitsgrade, als deren Kulminationspunkt häufig die Diagnostik myelodysplastischer Syndrome (MDS) genannt wird. Bei Knochenmarkkarzinosen ist die Erkennung der Fremdzellpopulation pathognomonisch, bei multiplen Myelomen erlaubt die deutliche Vermehrung von Plasmazellen bereits entscheidende Hinweise zur Krankheitsursache und bei der megaloblastären Anämie sind die Linksverschiebung und Hyperplasie der Erythropoese, die charakteristischen Dysplasien in dieser Zellreihe und die auffälligen Riesenstabkernigen und hypersegmentierten Granulozyten wegweisend in der Diagnose. Auch eine dichte Infiltration des Knochenmarks durch eine monomorphe Zellpopulation wie kleinzellige Lymphozyten oder großvolumige Blasten weist bereits auf eine schwerwiegende Störung des hämatopoetischen Equilibriums hin. Myelodysplastische Syndrome heben sich von diesen Diagnosen dadurch ab, dass nicht notwendigerweise quantitative Veränderungen der Hämatopoese diagnoseführend sind. Auch ist die Bandbreite der qualitativen Anomalien in den einzelnen Zellreihen breit gefächert und kann in vielen Fällen eine sichere Diagnose erschweren. Eine profunde Kenntnis der Knochenmarkmorphologie gesunder Patienten und von Patienten, die an klar definierten reaktiven Knochenmarkveränderungen leiden, ist für die Differentialdiagnose myelodysplastischer Syndrome sehr hilfreich. Daraus lassen sich einige Kniffe ableiten, die die Diagnostik wesentlich erleichtern können:

  1. Je mehr klinische Daten zum Patienten bekannt sind, desto enger lassen sich die Differentialdiagnosen eingrenzen: Patientenalter, Blutungsanamnese (z. B. Hypermenorrhoe), Medikamentenanamnese (z. B. Folsäureantagonisten), Ernährungsgewohnheiten (z. B. Alkohol), und Nebendiagnosen (z. B. Autoimmunkankheiten) erlauben bereits aus klinischer Sicht eine Abschätzung der Wahrscheinlichkeit eines MDS.
  2. Die Begutachtung des peripheren Blutausstrichs kann wesentliche Hilfestellungen in der Interpretation beitragen: Poikilozytose, dimorphe Erythrozytenpopulationen und regelhaftes Auftreten von Pseudo-Pelger-Zellen vereinfachen die Diagnose deutlich.
  3. Exzellente Ausstrichqualität ist die halbe Miete.
  4. Zytochemische Zusatzfärbungen (Myeloperoxidase, Berliner Blau, Perjodsäure-Schiff, alpha-Naphthyl-Esterase) können in unsicheren Fällen den Unterschied ausmachen.
  5. Myelodysplastische Syndrome sind nicht fokal begrenzt. Dysplasien müssen in allen Ausstricharealen abgrenzbar sein.
  6. Keine präformierte Meinung: Wer ein MDS sehen will, sieht eins. Daneben kann eine hochqualitative Durchflusszytometrie Hinweise auf atypische Expression von Antigenen oder Ausreifungsmuster geben, die den Verdacht auf ein MDS erhärten können. Schließlich hilft das Heranziehen der Zytogenetik und der histologischen Knochenmarkbefundung erheblich in der Differentialdiagnose. Ergebnisse eines internationalen Tests belegen, dass MDS zwar auch für Experten die schwierigsten Diagnosen sind, eine zuverlässige Diagnose aber durchaus möglich ist.


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