2. Deutsches MDS-Forum - Duisburg 2008

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Epigenetische Behandlung mit 5-Azacytidin und Decitabin

Abstract | Vortrag siehe hier
Autor: Prof. Dr. Norbert Gattermann, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf
Quellenangabe: 2. Deutsches MDS-Forum - Duisburg 2008
Stand: 15.11.2008

Epigenetische Veränderungen spielen eine wichtige Rolle bei der Krebsentstehung. Sie sind nicht durch irreversible Schäden wie Mutationen oder Deletionen bedingt, sondern es handelt sich um zwar vererbbare, aber potentiell reversible Modifikationen der DNA bzw. des Kernchromatins. Diese epigenetischen Veränderungen regulieren die Ablesung von Genen. Zwei Mechanismen spielen dabei eine Hauptrolle, nämlich die DNA-Methylierung und die Modifikation von Histon-Proteinen, d.h. jenen Proteinen, um die der DNA-Faden gewickelt ist. Durch Kooperation von DNA-Methylierung und Histonacetylierung bzw. -deacetylierung lassen sich zwei Aggregatzustände des Kernchromatins bewirken, nämlich eine offene Kernchromatinstruktur, die den Transkriptionsfaktoren Zugang zu ihren Zielgenen erlaubt, und andererseits kondensiertes Chromatin, in dem die Gentranskription blockiert ist. Um eine pathologische Blockierung der Gentranskription rückgängig zu machen, kann man versuchen, Inhibitoren der Histon-Deacetylasen und/oder Inhibitoren der DNA-Methyltransferasen einzusetzen. Diese Re-Expressions-Strategie soll durch verbesserte Genexpression erreichen, dass hämatopoietische Zellen, die in ihrer Differenzierung behindert sind, wieder besser ausreifen. Dass dies klinisch zum Nutzen von MDS-Patienten funktionieren kann, kam 2002 in einer vielzitierten Studie von Silverman und Mitarbeitern zum Ausdruck, in der erstmalig gezeigt wurde, dass sich durch demethylierende Behandlung, in diesem Fall mit 5-Azacytidin, die Zeit bis zur leukämischen Transformation bei Patienten mit Hochrisiko-MDS signifikant verlängern lässt. Dieses Ergebnis konnte kürzlich in einer großen Bestätigungsstudie, die hauptsächlich in europäischen Zentren durchgeführt wurde, reproduziert werden. Die mediane Überlebenszeit bei MDS mit ungünstigem Risikoprofil verlängerte sich von 15 auf 24,4 Monate. Mit der sehr ähnlichen Substanz Decitabin (5-aza-2'-deoxycytidine) können vergleichbare Ansprechraten erzielt werden, die in einer präliminären Analyse jedoch keine signifikante Überlebensverlängerung zur Folge hatten. Interessanterweise sind die demethylierenden Substanzen in der Lage, auch bei ungünstigen zytogenetischen Befunden, d. h. komplex verändertem Karyotyp oder Veränderungen des Chromosoms 7, Remissionen zu erzielen. Schnelle Therapieerfolge sind nicht zu erwarten; es müssen im Allgemeinen mindestens vier Behandlungszyklen abgewartet werden, um die Wirksamkeit zu beurteilen. Die bisherigen Erfahrungen sprechen dafür, die Behandlung bis zum Krankheitsprogress fortzusetzen. Beide demethylierenden Substanzen sind in den USA bereits zur MDS-Behandlung zugelassen, in Europa aber noch nicht. Beide Substanzen werden bislang parenteral verabreicht, für 5-Azacytidin befindet sich eine orale Darreichungsform in der klinischen Entwicklung. Sinnvoll erscheint eine Behandlung mit Azacytidin oder Decitabin bei MDS-Patienten mit ungünstigem Risikoprofil (IPSS int-2 oder high), die nicht für eine intensive Chemotherapie in Frage kommen. Für Transplantationkandidaten, die keinen geeigneten Donor finden, ist die epigenetische Behandlung ebenfalls eine Option.


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