Deutsches MDS-Forum - Duisburg 2008
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Lenalidomid: Wirksamkeit und Sicherheit bei del(5q)- und non-del(5q)-MDS

Autor: Dr. Aristoteles Giagounidis, St. Johannes-Hospital, Duisburg
Quellenangabe: 2. Deutsches MDS-Forum - Duisburg 2008
Stand: 15.11.2008

Die Diagnose eines myelodysplastischen Syndroms beunruhigt Patienten auf mehrere Weise: Erstens werden sie mit einer Erkrankung konfrontiert, die weder ihnen noch ihrem Hausarzt sonderlich bekannt ist. Zweitens stellen sie durch Recherchen rasch fest, dass ihre Überlebenszeit ab Diagnosestellung gegenüber der Normalbevölkerung deutlich verringert ist. Und drittens bemerken sie in ihrem täglichen Leben eine langsame, aber kontinuierliche Verschlechterung ihres Allgemeinzustandes, eine deutliche Verlängerung der Regenerationszeiten nach Anstrengungen, und das sichtbare Korrelat ihres versagenden Knochenmarks: Bluttransfusionen. Die meisten Patienten verspüren anfänglich nach Bluttransfusionen eine deutliche Besserung ihres Allgemeinzustandes. Im weiteren Verlauf verkürzt sich dieser Effekt jedoch deutlich, und die sich entwickelnde sekundäre Hämochromatose bereitet vielen Patienten zusätzliche Ängste. Die Verringerung der Transfusionsbedürftigkeit ist für diese Patienten daher ein vorrangiges Ziel, das die Lebensqualität verbessert, die Eisenüberladung verringert und möglicherweise die Überlebenszeit verlängern hilft. Bei Patienten mit niedrigem und intermediär-I-Risiko nach IPSS, die eine 5q- Anomalie aufweisen, hat die Substanz Lenalidomid regelhaft zu langfristiger Transfusionsfreiheit geführt. In der Lenalidomid MDS 003-Studie bei Patienten mit del(5q) zytogenetischer Anomalie erreichten 67% der Patienten eine komplette Transfusionsfreiheit, 9% reduzierten den Transfusionsbedarf um wenigstens 50%, ohne jedoch komplett transfusionsunabhängig zu werden. Die mediane Dauer des Ansprechens beträgt 116 Wochen. Die Ansprechrate in der del(5q) Population ist unabhängig von der Tatsache, ob zusätzliche chromosomale Aberrationen vorliegen, oder nicht. 44% aller del(5q) Patienten erlangten eine komplette zytogenetische Remission, 29% reduzierten die Zahl der abnormen Metaphasen um 50 bis 100%. Wie bei anderen MDS-Therapeutika auch, scheint das Ansprechen bei Patienten in frühen Krankheitsstadien vorteilhafter zu sein. Die Tatsache, dass einige Patienten in zytogenetischer Remission auch nach dem Absetzen der Medikation in jahrelanger Transfusionsunabhängigkeit verbleiben, lässt eine Heilung durch Lenalidomid möglich erscheinen. Andererseits müssen zytogenetische Evolutionen unter Lenalidomidtherapie genau beobachtet werden. Insbesondere Patienten mit initial erhöhtem medullärem Blastenanteil oder zusätzlichen Chromosomenanomalien scheinen hier besonders anfällig zu sein. Mit Lenalidomid lassen sich jedoch auch bei Patienten mit Chromosomenanomalien ohne del(5q) Erfolge erzielen. In der Lenalidomid MDS 002 Studie wurden 77% Patienten mit normalem Karyotyp eingeschlossen, der Altersmedian der Population betrug 72 Jahre. 44% dieser Patienten erreichten ein erythroides Ansprechen: 17% reduzierten den Transfusionsbedarf um mindestens 50%, weitere 27% der Patienten wurden vollständig transfusionsfrei. Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 43 Wochen. Da die Substanz auch bei Patienten wirkte, die vorher mit Erythropoetin behandelt worden waren, ergibt sich für diese Patientengruppe eine neue, wenn auch nicht zugelassene Therapieoption. Lenalidomid führt regelhaft zu Myelosuppression, die sich insbesondere innerhalb der ersten 8 Wochen der Verabreichung bemerkbar macht. Über 50% der Patienten leiden an transienten Neutropenien oder Thrombozytopenien, die anfangs wöchentliche Blutbildkontrollen notwendig machen. Durch interventionelle G-CSF-Gaben können Neutropenien fast vollständig verhindert werden. Die übrigen Nebenwirkungen wie Juckreiz, Diarrhoe, Muskelkrämpfe und Hautausschlag lassen sich durch Dosisreduktionen üblicherweise kontrollieren. Müdigkeit und Verstopfung treten nur ausnahmsweise auf, Polyneuropathien sind keine Lenalidomid-induzierte Nebenwirkung. Es scheint, dass Lenalidomid bei Tieren ähnlich teratogen wirkt, wie Thalidomid, und dass folglich eine teratogene Wirkung beim Menschen für Lenalidomid zu erwarten ist. Entsprechende Vorsichtsmaßnahmen sind bei Einsatz der Substanz bei beiden Geschlechtern zu bedenken.



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